Physiotherapie bei Bandscheibenvorfall

 

Eine Patientin der Physiotherapie wird auf dem Rücken liegend an der Schulter behandelt

Was wirklich bei den Rückenschmerzen hilft

Rückenschmerzen sind die Volkskrankheit Nr. 1 in Deutschland. In manchen Fällen kann auch ein Bandscheibenvorfall der Auslöser sein. Eine auf den/die Patienten*in abgestimmte Physiotherapie mit einem individuellen Übungsprogramm kann unter anderem helfen, die Beschwerden zu lindern.

Was ist ein Bandscheibenvorfall und wofür sind die Bandscheiben zuständig?

Bei einem Bandscheibenvorfall (auch Diskushernie oder Diskusprolaps) entstehen Risse im äußeren Faserring, sodass die gelartige Masse des Gallertkerns austritt (siehe Bild). Aufgrund der anatomischen Nähe des Rückenmarks und der Nervenwurzeln, kann das ausgetretene Gewebe Druck auf die Nervenwurzeln ausüben, was (starke) Schmerzen hervorrufen kann. In manchen Fällen können auch Gefühlsstörungen (Kribbeln, Taubheit) oder Lähmungserscheinungen auftreten.

Bandscheibenvorfälle können in jedem Bereich der Wirbelsäule (HWS, BWS, LWS) vorkommen:

  • Am häufigsten tritt er mit 62 % im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule auf
  • Danach folgt mit 36 % der Fälle die Halswirbelsäule
  • Bandscheibenvorfälle in der Brustwirbelsäule sind mit 2 % relativ selten

Die Wirbelsäule des Menschen besteht aus 24 Wirbelkörpern und wird in Halswirbelsäule (HWS), Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) eingeteilt. Die Bandscheiben liegen wie Stoßdämpfer zwischen den einzelnen Wirbeln unserer Wirbelsäule. Sie sind dank des Bandscheibenmaterials sehr elastisch und können Druck, Belastungen und Spannungen standhalten.

Jede Bandscheibe besteht aus einem äußeren knorpeligen Faserring (Anulus fibrosus) und einem inneren weichen Gallertkern (Nucleus pulposus).

Ist der äußere Faserring noch unbeschädigt, aber der innere Gallertkern wölbt sich Richtung Rückenmark und Nervenwurzel vor, wird von einer Bandscheibenvorwölbung (Bandscheibenprotrusion) gesprochen. Dies wird auch als Vorstufe des Bandscheibenvorfalls bezeichnet. Löst sich die austretende Bandscheibenmasse komplett von ihrer ursprünglichen Bandscheibe, wird dies als sequestrierten Bandscheibenvorfall bezeichnet.

Welche Ursachen und Risikofaktoren gibt es?

Ein Bandscheibenvorfall ist in den meisten Fällen auf den natürlichen Altersprozess mit degenerativen (altersbedingten) Veränderungen der Wirbelsäule zurückzuführen. Mit dem Alter zieht sich die Bandscheibe zusammen, verliert an Elastizität sowie Stabilität und verschleißt durch die jahrelange Belastung. Geeignete Physiotherapie kann einen Bandscheibenvorfall präventiv entgegenwirken. Neben dauerhaften Fehlhaltungen oder Überbelastungen beziehungsweise Fehlbelastung der Wirbelsäule zählen auch ungünstige Voraussetzungen wie Übergewicht, Schwäche der Rumpfmuskulatur, Rauchen oder Diabetes zu den auslösenden Faktoren.

Symptome: Welche Beschwerden kann ein Bandscheibenvorfall hervorrufen?

 

Die Symptome bandscheibenbedingter Beschwerden können vielfältig sein, aber auch komplett ohne Symptome verlaufen. Die Größe und die Position (Höhe) des Vorfalles gehen nicht immer mit dem Ausmaß der Beschwerden einher, sodass auch viele Bandscheibenvorfälle unentdeckt bleiben und nur durch bildgebende Diagnostik wie ein MRT erkannt werden.

Dennoch können Bandscheibenvorfälle je nach Lage (starke) Schmerzen verursachen und durch die Nervenkomprimierung die Funktion des Nervs beeinflussen, wodurch Sensibilitätsstörungen mit Kribbeln und Taubheitsgefühlen entstehen. Ebenfalls können die Symptome je nach Position in den Arm und Finger (Bandscheibenvorfall HWS) oder in die Beine und Füße (Bandscheibenvorfall in der LWS) ausstrahlen. Werden motorische Nervenfasern komprimiert, kann es auch zu Muskelschwächen oder Lähmungserscheinungen kommen. In wenigen Fällen treten Probleme bei der Kontrolle von Blasen- und/oder Darmentleerung sowie Einschränkungen in der Sexualfunktion auf, was durch ein Abdrücken des gesamten Nervenstranges (Caudaequina) verursacht wird.

 

Da ein Bandscheibenvorfall sehr plötzlich entsteht, sich aber auch über mehrere Monate hinweg entwickeln kann, ist der Verlauf äußert individuell und nicht prognostizierbar. Typisch sind jedoch länger bestehende (Kreuz)schmerzen, die eventuell schubweise auftreten und einer Art „Hexenschuss“ (akuter Lumbago) gleichen. Im Zusammenhang mit einer unkontrollierten forcierten Bewegung (Hebe-/Drehbewegung, Aufstehen aus der Hocke) kann ein starker Schmerz in die Lendenwirbelsäule oder in den Nacken schießen.

Symptome eines Bandscheibenvorfalls in der Halswirbelsäule:

  • Stechende Nacken- oder Armschmerzen
  • Schmerzen, Kribbeln oder Taubheitsgefühl in den Armen oder Fingern
  • Lähmungserscheinungen im Bereich der Armmuskulatur oder der Finger
  • Kopfschmerzen und Schwindelgefühle
  • Muskelverhärtungen im Bereich des Nackens und auch zwischen den Schulterblättern
  • Gang- und Koordinationsstörungen oder Einschränkungen der Finger bei fortgeschrittenen Bandscheibenvorfällen oder Rückenmarkskompression

Symptome eines Bandscheibenvorfalls in der Lendenwirbelsäule:

  • Stechender Rücken- und/oder Beinschmerz
  • Schmerzen, Kribbeln oder Taubheitsgefühl in den Beinen (meist einseitig)
  • Lähmungserscheinungen
  • Schonhaltung (Fehlhaltung) im Rücken
  • Störungen von Blase und Darm und Sexualität

Wann ist eine Operation notwendig?

Erst beim ausbleibenden konservativem Therapieerfolg sollte an die operative Therapie gedacht werden. Eine absolute OP-Indikation besteht nur, wenn durch einen Bandscheibenvorfall eine Blasen- und/oder Darmentleerungsstörung (Cauda-Syndrom) eingetreten ist oder funktionell wichtige Muskeln relevante Paresen aufweisen, wie einer deutlichen Schwäche der Fußhebefunktion. Eine Schwäche des Großzehenhebers oder eine mäßige Fußsenker- oder Quadricepsschwäche ist bei moderatem Schmerzempfinden noch keine sofortige OP-Indikation.

Falls keine Lähmungserscheinungen vorliegen, jedoch der Schmerz im Alltag eine erhebliche Behinderung darstellt und die konservative Therapie ausgeschöpft ist, kann nach positivem eindeutigem MRT oder CT-Befund eine operative Maßnahme in Absprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin in Erwägung gezogen werden.

Bewegung statt Bettruhe – Maßnahmen in der Physiotherapie bei einem Bandscheibenvorfall

In vielen Fällen klingen Rückenschmerzen in den ersten sechs Wochen nach dem erstmaligen Auftreten wieder ab, können jedoch auch bei Personen mit Bandscheibenvorfall inklusive Nervenwurzelreizungen oder Schädigungen andauern. Bei der Linderung der Symptome spielt vor allem die Auswahl des richtigen Therapieansatzes eine große Rolle. Wurde in der Vergangenheit häufig Bettruhe verordnet, kommen heutzutage in erster Linie Bewegungsübungen ins Spiel.

Nach einer ausführlichen Diagnostik und eines physiotherapeutischen Befunds kann der/die Physiotherapeut*in mit dem/der Patient*in ein gemeinsames Therapieziel formulieren. Wichtig dabei ist, dass auch der/die Patient*in während der gesamten Therapie eine aktive Rolle einnimmt, was ausschlaggebend für den Therapieverlauf ist.

Dem/der Therapeuten*in stehen dabei verschiedene physiotherapeutische Maßnahmen sowie aktive und passive Heilmittel zur Verfügung. Ein wesentlicher und zentraler therapeutischer Faktor für die Behandlung bandscheibenbedingter Beschwerden ist die rückengerechte Bewegungstherapie, um die Muskulatur zu stärken. Je nach Schweregrad und Symptomatik des/der Patienten*innen können isometrische und/oder mobilisierende Übungen (Dehnungen) Abhilfe schaffen und die Kraft und Beweglichkeit fördern. Ebenfalls können Wärmeanwendungen, Entspannungsübungen oder detonisierende Maßnahmen die Therapie ergänzen. Massagen allein sind weniger effektiv und sollten als alleiniges Heilmittel vermieden werden.

Unterstützend zu den therapeutischen Maßnahmen kann auch die transkutane, elektronische Nervenstimulation (TENS) angewendet werden, um die Symptome ohne Medikamente zu lindern. Klingen die Beschwerden langsam ab, steht das Muskeltraining/Krafttraining im Vordergrund. Kräftigungsübungen für den Bauch- und Rückenmuskulatur stabilisieren und schützen die Wirbelsäule und können anschließend in der gerätegestützten Krankengymnastik (KGG) umgesetzt und ausgebaut werden.

Je nach Heilungsstadium und Verfassung der betroffenen Person kommen verschiedene Arten der Behandlung durch die Physiotherapie infrage:

Standorte

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Anwendungen

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  • AWMF (2022): S2k-Leitlinie zur Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/033-048l_S2k_Konservative-operative_rehabilitative-Versorgung-Bandscheibenvorfall-radikulae_2021-06_01.pdf (letzter Zugriff: 24.02.23)
  • Geneen LJ, Moore RA, Clarke C, Martin D, Colvin LA, Smith BA (2017): Physical activity and exercise for chronic pain in adults: an overview of Cochrane Reviews. Cochrane Database of Systematic Reviews. Issue 4. Art. No.: CD011279.
  • Mayer HM, Heider FC (2016): Der lumbale Bandscheibenvorfall. Orthopädie und Unfallchirurgie. Up2date 11: 427-447.
  • Richter RH, Richter S, Forst R (2016): Bandscheibenvorfall. In: Casser HR, Hasenbring M, Becker A, Baron R (HRSG): Rückenschmerzen und Nackenschmerzen. Springer-Verlag. Berlin. Heidelberg.